ARCHIV

Solidarisch waren diejenigen, die die Gemeinschaft mieden. Rücksichtsvoll und sorgsam handelten all jene, die Begegnungen mit ihren Mitmenschen auf ein Minimum reduzierten. Die AVICRES war gezwungen, temporär ein paar ihrer Einrichtungen beinahe ganz zu schließen. Wo es ging, wurden digitale Arbeits- und Kommunikations-formen eingeführt.

Lockdown und Kontaktsperren hielten Einzug in die einzelnen Sektoren. Gemeinschaft konnte nicht gemeinsam gelebt werden. Für Solidarität ,,zahlten" die Menschen den Preis der Vereinsamung, und das Leben war bedrohter denn je. Viele Menschen waren in ihren Häusern eingesperrt. Arbeitslosigkeit und Armut nahmen zu. Neben den Ängsten vor einer COVID - Infektion wussten viele Brasilianer nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollten.

In Artikel 25 der Menschenrechte heißt es: ,,Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, ..." Niemals zuvor war dieses Grundrecht so bedroht wie im vergangenen Jahr. Also schuf die AVICRES eine Doppelkampagne: COVID-Testungen und Cesta Basica (Lebensmitteltaschen). Die AVICRES nahm die Herausforderung an. Geschwisterlich engagierten sich die Mitarbeiter:innen für ihre Mitmenschen. Sie verließen die Sektoren und gingen hinaus in die Peripherie. In die Häuser der Menschen, um kostenlose COVID-Testungen durchzuführen und Lebensmittel zu verteilen. In Geschwisterlichkeit engagierten sie sich für die Liebe. So wurde das Jahresmotto zum Auftrag. Es wurde gelebt. Gemeinschaft entstand in den kleinen Begegnungen. Solidarität war spürbar. Das Leben geschützt. Der Auftrag, ,,Option für die Ärmsten der Armen", wuchs in den Herzen der Mitarbeiter:innen. Die AVICRES blieb lebendig in einer Zeit, die von Tod und Krankheit geprägt war/ist.

Diese Doppelkampagne war eine Herkulesaufgabe - auch finanziell. Immer wieder erreichten uns Nachrichten von Johannes Niggemeier, die beschrieben, wie nötig diese Form der Hilfe war. Die Sorge darum, wie oder ob überhaupt die AVICRES weiterbestehen kann, wuchs mit der Schließung des Casa da Esperanza. Die zuständige Stadtverwaltung (Belford Roxo) erließ Auflagen, die schlicht nicht zu erfüllen waren. Gehälter der Erzieherinnen und Erzieher wurden durch die öffentliche Hand nicht übernommen, und so konnte das letzte verbliebene (Straßen-) Kinderheim der AVICRES nicht gehalten werden. Es war eines der Herzstücke. Die Entscheidung dieses Heim zu schließen, war eine besonders schwere Entscheidung.

Gesetzlich vorgeschriebene Entschädigungszahlungen für die Entlassungen einiger Erzieherinnen und Erzieher verschlimmerten die (finanzielle) Situation spürbar. Hinzu kam, dass das Kindermissionswerk die zugesagten Sternsingergelder aus den Jahren 2019, 2020 und 2021 nicht ausgezahlt hat. Ein hoher sechsstelliger Betrag fehlt. Auch zukünftig werden keine Sternsingergelder mehr für die Projekte der AVICRES zur Verfügung stehen: eine wirklich bedrohliche finanzielle Belastung. Wir sind gefordert, uns im Engagement für die Liebe zu unseren Freunden mehr denn je einzusetzen. Und wir werden nicht müde werden, uns um unsere Freunde in Brasilien, in der AVICRES zu sorgen. Wir schauen zuversichtlich in die Zukunft. Entschlossen. Hoffnungsvoll. Zielstrebig. Auch dieses Jahr, denn,,es wird ein gutes Jahr werden, ..." Die Brasilieninitiative Avicres e.Y. in Deutschland wird ihren 30-j jährigen Geburtstag feiern. 30 Jahre geschwisterliche Verbundenheit im Engagement für die Liebe. Zusammen mit Ihnen allen sind wir stolz darauf, eine so lange Zeit gemeinsam mit der AVICRES eine Option für die Ärmsten der Armen zu sein. Und so möge es bleiben. Jahr für Jahr. Denn wir alle fühlen uns geschwisterlich verbunden mit der AVICRES in Brasilien.

 

Liebe Freundinnen und Freunde der AVICRES, zusammen mit den Mitarbeiter:innen aus Brasilien, zusammen mit Johannes Niggemeier und mit allen Mitarbeiter:innen hier in Deutschland danken wir herzlich für Ihre vielfältige Unterstützung im vergangenen Jahr. In solidarischer Verbundenheit wünschen wir Ihnen ein gesegnetes neues Jahr.

Sebastian Schröder

für den Vorstand der Brasilieninitiative Avicres e.V.

Liebe Freundinnen, Freunde und Mitglieder der Avicres, 16.09.2020
in den vergangenen Wochen und Monaten haben wir zahlreiche positive Reaktionen auf unser zu Anfang der Pandemie angekündigtes Anliegen bekommen, eine "Doppelkampagne" gegen den Hunger und für Zugang zu Tests über Covid-19 durchzuführen. Gleichzeitig sind dafür überaus viele und großherzige finanzielle Unterstützungen (z.T. auch aus Brasilien selbst) bei uns eingegangen, so dass wir im August eine erste Phase dieses Projekts mit folgendem Ergebnis erst mal abschließen konnten:
An 22 verschiedenen Orten in unserer Diözese Nova Iguaçu (10 kath. Großraum-Pfarreien, 5 evgl.Gemeinden,1 Obdachlosenheim der Caritas und 6 Sektoren der Avicres selbst) haben wir insgesamt 1015 "Körbe" mit Lebensmitteln und Hygienematerial für Familien ausgegeben, und außerdem konnten wir den gründlichen sorologischen (also nicht bloß Abstrich-) Test 811 mit Bedürftigen durchführen. Davon hatten 450 Personen ein "positives" Resultat. Diese bekamen dann in unserer Gesundheitsstation oder – durch uns vermittelt - woanders entsprechende medizinische Hilfe.
Unsere Gesamtkosten für diese erste Phase der "Doppelkampagne" beliefen sich auf 125.067,78 Reais. Das sind im Schnitt umgerechnet etwa 23.000 Euro, womit unsere finanziellen Mittel für dieses in unserem normalen "Haushaltsplan" natürlich nicht vorgesehenen Projekt erstmal erschöpft waren.

Dann erreichte uns vor ein paar Tagen die sehr ermutigende Zusage der Diözese Paderborn, uns mit einer Unterstützung von 10.000 Euro eine Fortsetzung der Kampagne in einer weiteren Etappe zu ermöglichen. Das hat uns veranlasst, noch am vergangenen Samstag diese zweite Phase mit dem Teil "gegen den Hunger" zu beginnen.
Vielleicht schaffen wir ja z.B.bis zum Ende des Jahres ein ähnliches Ergebnis. Wir sind aber schon jetzt davon überzeugt, daß wir gemäß unseres Avcres-Grundsatzes "vorrangige Option für die Ärmsten" in unserer Region ein auffallendes Zeichen einer notwendig ökumenischen Sozialpastoral in Zeiten der Pandemie geben konnten und geben können.

Fairer Handel - Solidarität in der Corona-Krise     (Presseerklärung Oktober 2020)

In seiner, wegen des Corona Lock-Downs in den September verschobenen Jahreshauptversammlung haben die Mitglieder des AK Dritte-Welt-Laden-Lechenich e. V. den bisherigen Vorstand, Elke Griemens, Günter Ohrner und Josef Weiser, im Amt bestätigt und beschlossen, ein aus dem im vergangenen Jahr erwirtschafteten Überschuss einen Betrag von 1000,- € für die Brasilieninitiative AVICRES, die der Weltladen Lechenich seit Jahren unterstützt. Die AVICRES ist ein gemeinnütziges brasilianisches Sozialwerk, das in der Gesundheitsarbeit in den Armen- und Elendsvierteln in Nova Iguacu, einem Armen- und Elendsviertel in einer Vorstadtzone von Rio de Janeiro, tätig ist. Der Schwerpunkt liegt in der Sozial- und Bildungsarbeit mit Straßenkindern und Jugendlichen, aber auch mit Erwachsenen (www.avicres.de)

Den erfreulichen Jahresabschluss verdanken wir unseren treuen Kundinnen und Kunden, die auch jetzt in der Corona-Krise mit ihrem Einkauf, aber auch mit ihrer Aufgeschlossenheit und Interesse die Idee des Fairen Handels weiter mitgetragen haben.

Auch der Faire Handel ist stark von der Corona-Krise betroffen. Viele unserer Produzentinnen und Produzenten in Asien, Afrika und Lateinamerika können wegen der Ausgangssperren derzeit nicht in ihren Werkstätten arbeiten, fertige Ware kann teilweise nicht verschifft werden und der Verkauf im Inland ist zum Erliegen gekommen. In dieser Situation setzen die Weltläden ein Zeichen der internationalen Solidarität. Mit der Aktion #fairwertsteuer geben wir die Mehrwertsteuer-Absenkung an einen Fond zur Unterstützung unserer Handelspartnern weiter, die besonders schwer von der Krise betroffen sind. Mit ihrem Einkauf im Weltladen unterstützen damit die Kunden*innen diese wirkungsvolle, globale Solidaritätsaktion.

„Fair statt mehr - Was brauche ich für ein gutes Leben“ war daher auch der Aufruf zum Nachdenken bei der „Fairen Woche“, die wie jedes Jahr für zwei Wochen im September 2020 vom Forum Fairer Handel deuschlandweit organisiert wurde.

Eva-Maria Cahn/Günter Ohrner


„Mit dem Einkaufskorb für eine bessere Welt“

30 Jahre Arbeitskreis Dritte-Welt-Laden Lechenich e.V.             

Was kann ich denn schon groß tun gegen den Hunger in der Welt, gegen Krankheit, Kindersterben, Ausbeutung und Ungerechtigkeit?  Das fragten sich im Jahr 1982 verschiedene engagierte Christen in Erftstadt und beschlossen, nicht in Resignation zu versinken, sondern aus der Vision einer Solidarität über alle Grenzen und Kontinente hinweg auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen der südlichen Erdhalbkugel aufmerksam zu machen. Sie beschlossen also die Missstände und Ungerechtigkeiten dieser Welt nicht nur verbal zu beklagen, sondern konkret etwas zu tun. Die Mitglieder dieses Arbeitskreises stellten nach verschiedenen Aktionen fest, dass es hilfreich wäre, „Entwicklungshilfe  be-greifbar“ zu machen. So entstand die Idee unseres Dritte-Welt-Ladens, dem 1983 die Gründung des e.V. folgte, als uns die Katholische Pfarrgemeinde St. Kilian in Erftstadt-Lechenich Räume in der Pfarrbücherei anbot. Seitdem haben wir Dank der ehrenamtlichen Arbeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen den Laden regelmäßig dreimal in der Woche geöffnet, außer in den Schulferien. Die 15 bis 20 ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen treffen sich etwa sechs Mal im Jahr, um über die Besetzung der Ladendienstzeiten und  der Aktionen zu sprechen und sich über die Situation des Fairen Handels und der Entwicklungspolitik zu informieren.

 

Mittlerweile haben wir unzählige fair gehandelte Produkte wie Kaffee und Honig aus Lateinamerika, Tee und Gewürze aus Afrika und Asien, Wein aus Algerien, Fußbälle aus Pakistan und Waschnüsse aus Nepal, Kunstgewerbe aus aller Welt etc. verkauft. Das Wichtige: Durch den Verkauf jeder Ware werden die Produzenten, kleine Genossenschaften und Organisationen, direkt unterstützt. Unser Umsatz ist zwar nicht sehr groß, doch betrug er jeweils um 10.000 Euro pro Jahr, in den 30 Jahren also immerhin über € 300.000.

 

Neben den normalen Öffnungszeiten haben wir etwa fünf Mal pro Jahr unsere Informations- und Verkaufsstände bei kirchlichen und bürgerlichen Märkten und Veranstaltungen aufgebaut. Wir gingen auf die Straße mit Schuhputzaktionen, standen auf dem Marktplatz und machten Werbung für "gerechten Kaffee", wir organisierten mehrere Ausstellungen, darunter solche über Holzschnitzkunst aus Afrika, Molas der Kuna Indianer aus Panama, gewebte Teppiche aus Äthiopien und ergänzten sie durch Vorträge und Informationen. Wir organisierten Theaterstücke mit entwicklungspolitischem Inhalt, veranstalteten viele Vorträge zum fairen Handel, zur Globalisierung, zum Leben in anderen Ländern und sammelten unzählige Unterschriften mit Aufrufen für eine friedvollere und gerechte Welt. Als einen Höhepunkt hatten wir 10 Gäste aus dem Projekt ACESA in Brasilien bei uns zu Gast. Zwei Jahre später haben einige von uns diesen Besuch erwidert.

 

„Liebe geht durch den Magen“ sagt ein deutsches Sprichwort und wie könnte man auf angenehmere Weise etwas über die Lebensgewohnheiten und die Kultur anderer Länder und deren Bewohner erfahren als über ein gutes Essen. Deshalb laden wir jeweils meist an einem Freitag im Januar zum schon traditionellen Dritte-Welt-Essen nach St. Kilian ein. Jedes Jahr mit einem anderen Land oder Kontinent als Schwerpunkt. Viele Helferinnen und Helfer, zum Teil auch aus den entsprechenden Ländern, bereiten schon ab dem frühen Nachmittag gemeinsam die Speisen zu, die dann abends aufgetragen werden. Dazu gibt es dann Interessantes zu dem entsprechenden Land und dessen Kultur. Meist genießen zwischen 60 bis 100 Gäste diese Art der Information.

 

Da wir kaum Kosten haben und Dank der ehrenamtlichen Tätigkeit konnten darüber hinaus mit den Rabatten, die uns gewährt werden und durch die Erlöse der verschiedenen Veranstaltungen, die wir durchgeführt haben, einige Projekte, wie ein Schulprojekt in Awutu Beraku  in Ghana sowie ein Gesundheitsdienst  und  eine Familienlandwirtschaftsschule in Bacabal in Nordostbrasilien direkt unterstützt werden. Wir konnten es selbst kaum glauben, aber es waren in der Zeit etwa € 85.000,00, die so Projekten unmittelbar zufließen konnten. Über die Verwendung der Erlöse wurde jeweils in der jährlichen Hauptversammlung entschieden..

Bei dem Projekt in Awutu wurden in den 1980er Jahren dank verschiedener Aktionen der Gemeinde St. Kilian und des Dritte-Welt-Ladens zwei Schulen und ein Kindergarten gebaut und Schulgebäude in Außenbezirken renoviert, die bis heute gut besucht sind. Wir unterstützen diese Schulen weiterhin jährlich mit einem kleinen Betrag aus unseren Erlösen.

Das Projekt im Nordosten Brasiliens (ACESA), steht inzwischen auf eigenen Beinen und wird auch von staatlichen Stellen unterstützt. Seit 2011 unterstützen wir deshalb in Brasilien ein anderes Projekt in Rio de Janeiro (Avicres), das sich um Straßenkinder kümmert.

 

Auch dank unserer Tätigkeit erhielt die Gemeinde St. Kilian, als eine von 27 anderen, den Titel einer „FAIRgemeinde“ durch das Erzbistum Köln am 17.12.2008 im Maternushaus in Köln verliehen. Die Urkunde hängt jetzt im Pfarrzentrum St. Kilian.

 

Weiterhin legen wir viel Wert auf die Zusammenarbeit mit den anderen entwicklungspolitischen Organisationen vor Ort und haben auch mehrere Veranstaltungen gemeinsam durchgeführt. Oft sind wir auch mit Informations- und Verkaufsständen bei deren Veranstaltungen vertreten. Im Herbst 2004 halfen wir mit, den Arbeitskreis „Eine Welt Initiative Erftstadt – EWIE“ zu gründen, der sich zum Ziel setzte, die Arbeit der verschiedenen Gruppen zu koordinieren und Aktionen und Termine abzustimmen. Wir erstellten einen Einkaufsführer für faire Produkte in Erftstadt, organisierten Vorträge und führten Aktionen zum Verkauf von fair gehandelten Blumen durch. Leider löste sich der Arbeitskreis nach ein paar Jahren wieder auf, da wir die Arbeit personell nicht mehr regeln konnten.

Darüber hinaus arbeiten wir im kommunalen Nord-Süd-Forum der Stadt Erftstadt und im Umweltzentrum Friesheimer Busch aktiv mit und sind bei Veranstaltungen mit einem Stand vertreten.

 

Als Dank für unsere langjährige Tätigkeit haben wir am 4. Januar 2009 die Carl-Schurz-Medaille der Stadt Erftstadt erhalten. Sie wurde uns zusammen mit einer Urkunde beim Neujahrsempfang der Stadt Erftstadt im Rathaus in Erftstadt-Liblar durch den damaligen Bürgermeister Ernst-Dieter Bösche überreicht.

Dank der Arbeit der vielen Weltläden wurde das Nischendasein des Fairen Handels aufgebrochen und mittlerweile gibt es auch in vielen Supermärkten fair gehandelte Produkte. Trotzdem ist der Faire Handel immer noch ein kleines Segment in der Wirtschaft der Bundesrepublik (kleiner als in vielen anderen europäischen Ländern). Doch wir können unsere Konsumgewohnheiten und Wohlstandsansprüche „fair-ändern“. Wenn wir unser Engagement für eine bessere Welt ernst meinen, sollte der Kauf der fairen Produkte zur Selbstverständlichkeit werden. Die kleine, alltägliche Entscheidung am Warenregal hat vielleicht größere Auswirkungen auf die gerechte Umgestaltung der Welt als gewaltige politische Absichtserklärungen. Es gibt also immer noch viel zu tun.

Helga Berbuir / Günter Ohrner

ARBEITSKREIS DRITTE-WELT-LADEN LECHENICH e.V.